Samstag, 25. Juli 2015

Werktagebuch: Dichtung und Prosa


Gedichte, Briefe, Kartengrüße, Aphorismen und Novellen 1979 - 1995

Text: François Maher Presley
Deckblatt und Illustration innen: Dr. h.c. Bernhard G. Lehmann
Zeichnungen innen - Novellen - von Michael Haller: Lamm / Kopfmensch, 1992
Herausgeber: David Eschrich
Einführung und Nachwort: Dr. Matthias H. Rauert
Deckblattgestaltung: Carlos Kellá

Neben seinen ungezählten redaktionellen Beiträgen wurden seine literarischen Texte in mehr als 50 Büchern, darunter in „Denkspiele“, „Mallorca - Wirklichkeit oder Traum“ oder „Ein Augenblick birgt 1000 Erleben - Klostertage­buch“, „Tomas - Aus dem Leben eines Callboys“, „Akwaaba - Will­kom­men in Ghana“, „Liebesgedichte“ oder vier Bände “Andere Länder und Kulturen” veröffentlicht. 

Die hier vorliegende Textsammlung erscheint dem Leser wie ein Tagebuch aus einer sehr ungewöhnlichen, vielseitigen, aber auch an Dramatik vollen Kindheit und Jugend eines sich zwischen den Welten und Kulturen bewegenden jungen Menschen, dessen Sprachgewalt ihn das Erlebte verarbeiten lässt, aber beim Leser auch Identifikation schafft und Erinnerungen an eigene Erlebnisse und Erfahrungen wachruft.

„NAGYVILAG“ Zeitschrift für Weltliteratur, Budapest 
Die gesammelten Novellen beweisen, Dass Ihr Stil viel reifer geworden ist. Auch ist der Einfluss von Franz Kafka unübersehbar. Und deshalb denke ich, Sie hatten ein sehr schweres Leben und haben es auch heute nicht leicht. Talent zu haben ist eine außerordentliche Angelegenheit und bedingt auch außerordentlich empfindsame Nerven. Und die zu haben, ist keine beneidenswerte Sache. Eigentlich habe ich immer ein gewisses Bedauern für Schriftsteller. "Katalyn Rayman, Rubrik-Leiterin"

Es ist faszinierend, dass ein Anfang 20jähriger in diesen Dimensionen zu denken vermag. "Hedda Guhr, Leitende Redakteurin"

Der Leser erfährt bemerkenswerte Mitteilungen eines „Grenzgängers“ zwischen den Religionen und Kulturen... Da kommt kein Zweifel an der Authentizität dieses Ereignisses auf!... Es (handelt) sich um erste sehr scharfsichtige und kluge, aber immerhin partielle Einsichten in Lebens- und Kulturzusammenhänge (), die in hohem Maße interessant und zur Lektüre empfohlen sind. "Liberal, Magazin für Politik und Kultur"

1. Auflage Juni 2012, Paperback, 260 Seiten, Preis: 12,80 Euro


Aus dem Inhalt

Meine Mutter 

Diesmal hatte ich gezögert, diesmal bekam ich die Mutter, die mir zustand, meine. Sie war so jung. Sie war so schön. Und altern tat sie immer nur in den Näch­ten. Wenn die Fensterläden geschlossen waren, wenn kein Licht sich durch die Ritzen mehr ergoss, wenn im Hause alle schliefen, starb sie allein ihre Ju­gend, starb sie allein ihre Schönheit, ihre Anmut, er­trank sie in dem Geld, das ihr das Leben nur scheinbar leichter werden ließ. Nachts kroch der Tod zu ihren Füßen, an ihren Sohlen hoch, an ihren Beinen und fraß sich leise in ihr Fleisch. Kein Laut, kein Schrei, niemals war Schmerz in ihren Augen. So vornehm konnte allein nur sie noch sterben, wenn der Krebs ganz langsam auch ihren schönen Körper nahm. So vornehm konnte allein nur sie noch leben, wenn mit dem Licht die Narben gingen, wenn von dem Schmerz nur eines blieb, ein kleiner Stein in ihrem ohnehin schon kleinen Herzen. 
...


versuchung lockt 
in verbotenen räumen 
an dunklen plätzen 
zu später stund 
die angst vor dem ungewissen peitscht 
doch der traum vom erleben ist stark 
ein schneller blick 
ein leichtes berühren 
dann heftig küssen 
nicht zärtlich sein 
wie schön das beben 
wie weit die welt 
und nah das fremde 
benommene körper aufeinander 
schamröte im gesicht 
liebe an wintertagen
...


Ich habe mir überlegt, ob ich mir einen Bart wachsen lassen soll, einen Vollbart, überall im Gesicht und lang und weiß. Dann würde ich auf einen Berg gehen, oben auf die Spitze. Ich würde mich auf diese Spitze setzen und nichts mehr essen und nichts mehr sagen, fasten und schweigen. Und dann würde ich zu Stein werden und wäre ein Teil des Berges. Danach käme ein Gewitter und der Blitz würde mich treffen, und der Stein würde von mir abfallen, und ich wäre ein junger Mann. Dann ginge ich von dem Berg hinunter in die Stadt und würde Dich treffen. 

Außerdem habe ich mir überlegt, dass Wölfe nicht lau­ern, sondern aufmerksam sind. Wäre ich ein Wolf, dann würde ich sicher nicht lauern, aber ich wäre sehr aufmerksam. Wölfe scheinen mir kluge Tiere. Wäre ich ein Wolf, so wäre ich klug. Doch ich bin kein Wolf. 

Ich habe mir auch überlegt, dass die Bäume alle bald sterben. Und wenn sie dann tot sind, gehen sie ins Meer. Alle toten Bäume gehen wohl ins Meer zu den Algen. Die Algen waren früher einmal auch Bäume und sind dann ins Meer gegangen, weil die Fische sie brauchen, mehr als wir. 

Ich könnte mir natürlich auch Flügel wachsen lassen und keinen Bart. Dann würde ich vom Berg hinab fliegen und nicht schweigen und nicht fasten. Der Blitz würde kommen, und er würde mich nicht treffen. Ich würde mir Flügel wachsen lassen und ins Tal fliegen zu Dir. Und Du bekämest meine Flügel, damit wir beide Menschen sind wie Vögel.