Sonntag, 30. Oktober 2011

Ausritt

Und Gott durchflutet Raum und Saal
sein Glanz erdrückt der Dunkel Qual
erdrückt der Teufel Todgesang
lässt schwinden all der Menschen Bang


Seine Mantel sind umhüllt mit Liebe
schenken den Herzen neue Triebe
umgeben die Trauer mit Musik
ein jeder spürt das Lebenslied


Im Rausch durch Fluten fort getragen
unser Sein fängt an sich sacht zu heben
an uns liegt es nun zu erleben
und das Schöne kosten wagen


Wenn nicht die Schwarz es überdecken
wie wohl vorher es uns geschehen
so trüb wir konnten nicht durchsehen
und aus Träumen uns wird wecken


Lass uns sein der Ferne Ritter
die da speisen ungezwängt
den Trank bekommen wir schon bitter
von dem der Alltagsleben lenkt


Zerzaust hat der Wind über Zyrian, der Ort eines Traumes, beim Kuss ihr Haar. Ein Kuss, der all den Zorn der Welten den bittersüßen Geschmack entriss, zu zweit in Einsamkeit zu leben. Beim Reiten droben auf den Sternen war all die Nähe ihnen, die Nähe, die sie ewig suchten, wirklich nah. Und nur der Tod kannte den Geschmack, der fade Tod von verwesenden Leibern allein wusste die Kraft, die ihre Lippen gaben, wenn einander sie berührten, im Schatten des Daseins des Bösen. Die Sonne schien. Sie musste scheinen. War sie denn nicht auch Schutz vor jenen, die immer nur der Dunkel Nahrung geben, die ewig wollen den Zorn erhalten und das Kreuz gegen Liebe richten, die qualvoll stark war gegen die Massen so vieler Geister in nur einer Haut?


»Lass uns auf dem Hügel die Bäume denken,
und lass das Meer dort drunten -
in unserem Geiste -
Kühle für uns sein.«


Seine Augen strahlten, wenn er so sprach, und er tat lieben ihn dafür. Die Erinnerung ging verloren an den Triumph der Fleischesgier, die unbarmherzig alles fressend niemals Halt sich gibt - auch nicht vor dem Herrn - der ihre Geburt in seinem Sein zu verbergen sucht. Mit seinen Blicken schrieb er Worte, und der Horizont war voll von Farben, die seine Augen mit der Kraft seiner Tiefe hinfort getragen in alle Weiten. Ganz zärtlich suchten Finger die des Nächsten und waren erschrocken durch die Wirklichkeit, die sie berührend macht und Röte in Gesichtern schwelgen ließ.


Es war wie immer das erste Mal in einer Zeit, die sich nicht messen ließ, die ganz verworrenen Gefühlen alles gab - die Ewigkeit.


»Schmecke mit mir das Grün,
und lasse uns später wie Blätter fallen
im Winde fort mit den Zeiten,
die immerzu ein Anfang sind.
Laß uns doch eingehen
in das Reich der Lebenden,
die in dem Tod
nur ein Pausenzeichen vermuten,
was Dir das Ende eines Traumes zeigt,
um dann den nächsten zu beschreiten.«


»Was sind wir doch fern«, so dachte er und hörte den Freund mit offenem Herzen sprechen, ließ ihn, begleitet vom Meeresrauschen, was jeder Muschel Inhalt wird, in die Tiefen der Sphären andersartiger Gedanken tauchen wie den Meeresgott.


Am ersten Tag, es war im April, als unsere Liebe stark war, tat sie töten. und es war nicht irgendein April. Es war nicht der, der auf Kalenderblättern so viele Seiten trotzen ließ und sich den Spaß erlaubte, auch einmal Mai und Januar zu sein. Am Brunnen in ihrem Garten standen Kerzen, die ewigen Zeugen mystischer Strahlen, die Einheit waren mit der Jahreszeit und nicht die wilden Wetter herrschen ließen. Sie wollten nicht flackern. Und der karge Wind gab sich auch nicht der Mühe hin. Ganz still warten war ihr Ziel auf Sinn und Unsinn menschlichen Triebes, der sie nun erheben sollte zu hellen Lichtern, die in die Tiefe zeigen und dennoch den Weg zum Tag reflektieren. Es war kein April an diesem Tag wie jeder andere. Es war unser Tag im April, den wir herbeigesehnt und dessen Sein uns schreckte trotz der Ruhe dieser Lichter am Brunnenrand, die mit uns teilen, die mit uns teilen ewig, weil ihr Schein doch nie erlischt. Gerade dann nicht, wenn ganz, ganz sachte unsere Finger Einheit schließen und den Schwur von Qual und Sünde zu befreien suchen.


Sie war so schön. Am Brunnenrand hat sie gestanden, und sie rief:


»Kommt her!
Die Zeit will unseren Hunger stillen.
Kommt und helft,
weil es der Königin Wunsch ist,
dem Brunnen kühles Nass zu nehmen.
Ein wenig nur voll Sehnsucht kosten
den Liebestrank von Generationen,
die hier ehedem Gegenwart fanden
im Schatten und auch neben dem Stein,
der diesen Trunk gefangen nimmt.«


»Ist es denn die Zeit,
die will?
Ist es denn nicht die Unzeit,
die uns,
die dir meine Königin
nicht die Gunst
folgender Tage schenken kann,
weil mit dem Nehmen auch das Geben ward
in allen Zeiten Regel?
Und so ließ diese Regel
dem Brunnen alles Sein
und die Generationen verblassen.«


Schwerter nun jagten seine Seele, und ihr Blick ward bös wie nie. Sie sprach:


»Was kann Gunst schon sein
für mich,
die stark ist und zerbricht,
was einmal wurde aufgestellt?
Was schon kann mir gegeben,
wenn mein Wille
Dich als Regen
gen Himmel fallen lässt?«


Der Gott des Zorns war ihre Kraft, und so schwieg er nun wie eh. Gar nicht weit weilte Luzifer im Kostüm »Lustdiedingeselbstinbewegungszusetzen«. Er trug ein Gewand aus goldenen Stoffen, die betäuben, die manchmal Menschen hoffend machen, daß das Glück wirklich ein Glück ist und nicht nur Schein. An seinen Fingern, die Speeren glichen, waren die Ringe, die stolz erleuchtet durch Höllenfeuer uns die Lebenswege deuteten. Ringe, die uns in diesem Garten Eden, der niemals Garten Eden war, durchführten, um Seelenheil in Blut getränkt zu Friedhofserde werden zu lassen. So sollen Barbaren sein der Freude Feind und der lüstern starrenden Augen, die sich hinterm Kreuz verstecken, um den Guten Gutes anzutun.


Versöhnlich sprach sie nun, die Versuchung wissend in ihrem Nacken und der Macht bewusst, dass ihr Liebesbiss noch immer tödlich ist:


»Kommt her von weit auf Engelsflügeln
und lasset uns Dreien Glocken sein,
die wahrlich sind die hellsten Töne,
wenn sie aneinander schlagen,
niemals nur eine ganz allein.«


Wie sie so sprach, gaben ihre Lippen dem Tag Erleben in sinnlichen Fluten, die all der Geister Kraft betören und gefangen nehmen in rotem Fleisch. Ihr Gott hat sie sich gleich geschaffen und Horizonte neu geformt, damit die Weite ihrer Augen nicht erstarrt an Konvention. Damit ihre Bewegung wie Kunst in die Menschen dringt und nur wiederkehrt als Sehnsucht nach dem Unheilvollem. So fiel ein Stern an diesem Tage, der doch mit Segen leiten muss, durchbrach der Strenge Hoffnungsträger Moral und teilte sie entzwei.


Die Dornen an den kahlen Asten von Rosenzweigen stachen tief. Doch unser Leid ward fort getragen zu den Ahnen auf den Gruften, auf denen heute noch gebettet des geliebten Vaters Knochenleib. Nichts half mehr. Nicht all das Warnen, wenn die Dämonen im Baume ihre Äste bogen, die Wege schlossen gar himmelwärts. Nicht half der Schrei, der nun starken Winde, die mit aller Kraft den Erdball sich einzuverleiben suchten, um Bewegungen anzuhalten, die in die falschen Tiefen zogen. In Schwarz hüllte sich der Tag. Aus Elfenbein allein ward Freiheit an den Himmel geschrieben, was da die Finsternis durchbrach. Des Teufels Ring Versuchung lockt.


»Oh Herr,
was warst Du groß
an diesem Tage,
als uns Du
diese Göttin hier erbrachst,
deren Adel doch schon Zeiten webten,
und ein golden Netz
aus Lust und Gier entstand.
Ein wenig Wasser
sollte für’s Leben sie begehren,
und wir als einzig Becher
waren ihr versagt.«


Und so schlug der Blitz in unsere Seelen, als Satan seine Formel sprach und Stück für Stück in Seifenblasen, die seinem Stab lautlos entschwanden, uns das neue Leben schmackhaft tat. Die wir bis heute aber nie erlangt, weil beim Berühren doch jedweder Traum zerplatzt. Als nun unsere Hände zum ersten Mal ganz offenbarend sich berührten für den Halt, den sie begehrt, da stand jeder Atem, da durchbrachen alle Klänge der Instrumente Form. Es gab nicht Geige oder Flöte. Die Dinge waren eins und ließen nicht an weltlich Schranken sich gefangen halten. In allen Farben zeigten sich die Lebensringe, und das uns glaubhaft Böse schwieg. An Zweigen dort erblühten Rosen aus Welten weit von anderem Gestein. Und der Bäume Fluch ward fort getragen, Platz machend dem satten Grün, dem in den ersten Tagen schon die Schöpfung hat zu Leben gemacht.


Ihr Griff war stark und kalt an unseren Händen. Und laut wurde Weiberklagen aus den Tempeln, die der Toten Seelen begleiten, in den Jahrhunderten seit Menschen Priester schlachten ließen, um Gott Moral ein Opfer zu erbringen.


Er sprach: »Ich liebe Dich mit meinem Wort
ebenso wie mit meinem Herzen.
Doch lass uns trennen
für den Augenblick,
um einmal Einheit in Ewigkeit zu sein.«


Ihr Lächeln ward das von Wissenden, die nie verlieren, weil doch sie den Sieg vergeben. Und gelähmt von der Hoffnung diesen zu erlangen, ließ ich los, was mir anvertraut für Sekunden aus Götterhänden, immer geleitet von den glänzenden Welten Luzifers und fiel ins Schwarz zu den Gestirnen, die jeder Liebe Unterschlupf gewähren.


»Allmacht fort mit den Gestirnen.
Reiß nicht heraus aus Menschenleib
der Seele Wurzel, die Du dort gefangen,
um Dein Werk Dir edel zu erbauen.«


Laut war der Schrei, der nie geschriehen wurde. Laut war der Ruf, der ungesagt noch hallt. So ward das Gute und das Böse plötzlich stumm wie nie zuvor, als es den Sieger tot im Sand gesehen, wie auch das Opfer all sein Leben da verlor.


Sie war so schön. Und ihr Götterglaube war stark im Spiel, was niemals wirklich existiert. Und doch waren wir Figuren, die im Akt nicht denken wollten, um dem Traum dem dunklen nicht Nahrung sein zu müssen, um der Hoffnung schnelle Gestalten ganz langsam sacht an uns zu heften, was sie ja gewollt, um des Tötens willens. In all den Jahren hatte sie getrieben. Von erster Stund, als wir einander sahen, vor ihrem Wagen laufend, an Luftschlössern und so vielen falschen Bildern vorbei, in das Schwarz ihrer Lungenflügel, durch die große Gruft in ihrem kleinen Herzen.


Nun aber war die Macht der Liebe stärker als die Liebe selbst. Aber wie immer Dinge sich in zweien teilen, verlor sie Leben und Untertan, und doch sie gewann. Nun ward der Fluch auf unseren Häuptern für Ewigkeiten hier am Meer und doch nicht dort zu sein. Wenn er den Baum dort auf dem Hügel preiste, so war es doch ein Baum im Garten der Fantasie.


»Wenn die Wahrheit Atem ist,
so stirbt der Traum an ihr,
und dunkle Erinnerungen
zerschmettern den Geist
bis in die Stunde,
in der alles vergeht,
in der der Unendlichkeit ein Ende naht.«


So ist der Kuss kein Kuss gewesen, und der Wind auf Zyrian hat nie zerzaust ihr Haar.


(aus dem Buch "Denkspiele")

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